Monday, January 05, 2009

Wieder in Deutschland

Die meisten werden es sich wohl inzwischen gedacht haben, ich bin längst wieder in Deutschland, seit Ende September. In meiner letzten Woche in Tandil hab es noch einmal die Olimpiadas, die leider von einem sehr traurigen Todesfall überschattet wurden und nicht beendet wurden. Das Finale wurde einige Wochen später ausgespielt, und diesmal hat sogar exactas gewonnen...

Danach begann der traurige Teil: Abschied nehmen von meinen Freunden dort, von einem Land welches mir sehr ans Herz gewachsen ist, von einer wunderschönen Zeit (trotz gelegentlicher Durchhhänger) und der ziemlich abrupte Übergang zum Alltag an der Darmstädter Uni.

Ich hatte die letzten Monate recht viel zu tun, also haben die Bilder auf sich warten lassen. Ich habe soeben eine Menge Fotos hochgeladen, die sich zusammen mit meinen Ecuadorbildern hier befinden. Die Kapitel 8 und 9 habe ich überarbeitet und ergänzt, die restlichen sind neu. Damit ist die Fotoseite etwa auf dem Stand von April 2008, und es fehlen noch die Bilder meiner letzten großen Reise im August und September sowie die zweite Ausgabe der Olimpiadas. Das sind immer noch ziemlich viele, und ich habe sie noch nicht einmal sortiert. Wann diese Bilder also online kommen, werden wir sehen, ich schreibe das hier auf jeden Fall. Vorerst viel Spaß mit dem aktuellen Material.

Und wer weiß: Die nächste Reise kommt bestimmt...

Saturday, September 06, 2008

Wieder unterwegs III

Dies hier duerfte der letzte Reiseintrag sein. Die Bilder folgen dann so bald wie moeglich.

In Tucuman habe ich also einen Tag verbracht, mir die Stadt angesehen (keine Schuhputzer, juchuh) und so weiter. In Tucuman hat Argentinien eine seiner beiden Unabhaengigkeitserklaerungen abgegeben, und der erste Kongress tagte dort. Ich hab mir also brav die "Casa de la Independencia" nebst Unabhaegingkeitserklaerung angesehen. Und eine ziemlich huebsche Mate-Kalebasse entdeckt und dann doch nicht gekauft, worueber ich mich jetzt schon aergere. Wenn Doofheit klingeln wuerde...
Kleiner Nachtrag zu Salta: In der Region ist das Kauen von Coca-Blaettern weit verbreitet, aber illegal. Bei den Einheimischen wird es aber toleriert. Das geht dann nicht nur so weit, dass Cocahaendler durch die Strassen gehen um ihre Ware anzubieten, sondern es gibt Laeden, die ganz normal damit handeln, inklusive Schild vor der Tuer. Fand ich krass, andererseits verkaufen auch Laeden im ganzen Lande Raubkopien von Filmen und CDs ganz offen und fuehren dafuer sogar Mehrwertssteuer ab...

Von Tucuman gings jedenfalls mit dem Nachbus nach San Juan, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Von der Einwohnerzahl in etwa mit Tandil (120.000) zu vergleichen, und aehnlich ruhig. Nette, breite Buergersteige, mit angenehmen Pflaster (Tucumans Buergersteige waren sehr eng, was bei der bekannten Neigung der Argentinier, an Engstellen rumzustehen sehr die Nerven strapaziert). Das Hostal, welches ich mir ausgesucht hatte war leider nicht mehr an seinem alten Standpunkt, so dass ich erstmal knapp 20 Blocks laufen musste (vor dem ersten Kaffee). Dafuer dann einen anderen Deutschen aufgegabelt, sogar aus Schleswig-Holstein. Der hatte es mit seiner Koerpergroesse von ueber 2 Metern hier in Argentinien nicht leicht...

Am Tag drauf sind wir in den Provinzpark Ischigualasto, auch als das Mondtal bekannt. Dank der sonnigen Fotos habe ich die Jacke zuhause gelassen - ein schwerer Fehler. Der morgendliche Nieselregen hoerte naemlich auf der Strecke zum Park nicht auf, sondern wurde staerker und verwandelte sich in Schneefall. Das passiert ungefaehr zwei, dreimal im Jahr... Insofern war der Besuch im Park nicht so dolle, weil viele Sachen halt bei Sonne viel beeindruckender aussehen oder schlicht im Schneetreiben verschwanden. Dass gewisse Teile der Gegend wirklich wie eien Mondlandschaft aussehen, liess sich aber erkennen (Frage ans Publikum: schneit es auf dem Mond?).

Am Freitag ging es dann in meiner bisher laengsten Bustour nach Puerto Madryn, um die Peninsula Valdez zu besuchen. Ueber 24 Stunden im Bus, aber immerhin hatte ich einen netten Sitznachbarn (diesmal semi-cama). Die Busfahrt ging die meiste Ziet durch stinklangweilige Pampa, so langweilig, dass selbst der gelegentliche Fuchs, der vor dem Bus die Strasse ueberquerte, keinen Grund sah, schneller als Scritttempo zu gehen.

Die Penisula Valdez ist fuer Pinguine, Seeloewen und vor allem Wale bekannt, und tatsaechlich war gleich am Samstagmorgen ein Walpaerchen in der Bucht zu sehen, geschaetzte 300 Meter von der Hafenmole weg. Beeindruckende Tiere, machen auch ganz schoen Laerm. Am selben Tag bin ich dann nach dem dringend noetigen Fruehstueck noch drei Kilometer zum ecocentro gelaufen, so einer Art Erklaerungs- und Vorschaudings zur Peninsula. Wer das multimar-Wattforum in Toenning kennt, so was in der Art. Tags drauf ging es dann zur Peninsula. Zunaechst stand ein Besuch bei den Walen auf dem Programm, man faehrt mit kleinen Booten raus und kommt den Tieren sehr nahe, zum Teil bis auf wenige Meter. Natuerlich hat mich meine Kamera wieder mal im Stich gelassen (treulose Tomate!), aber ein paar Fotos habe ich gemacht. War auf jeden Fall sehr beeindruckend.
Danach waren wir noch bei einer Seeelefantenkolonie (einen Tag alte Babies..) und haben die ersten Pinuguine der Saison gesehen (der Rest ist noch in Brasilien).

Dann Rueckreise nach Tandil, inzwischen bin ich nur noch 100 km weg, aber leider habe ich meinen Anschlussbus knapp verpasst und schlage jetzt hier in Azul die Zeit tot. Das Busunternehmen will mir den Abschied wohl leicht machen ("nee wir halten nicht im Busbahnhof, sondern hier draussen in der Pampa. Aber sie koennen ja laufen, sind ja nur knapp zwei Kilometer...").

Das wars dann soweit von meinen Reiseabenteuern. Ich melde mich vermutlich noch mal, wenn ich wieder zuhause bin, es stehen ja auch noch eine Menge Fotos aus. Dieses Mal sollte das ganze schneller gehen als drei Jahre. Achja, und ab mittwoch sind in Tandil wieder Olimpiadas.

Tuesday, September 02, 2008

Wieder unterwegs II

Ich bin also in die Berge gefahren. Einen Tag spaeter als geplant, denn in dem Hostal, wo ich in Salta war, gab es an meinem ersten Tag abends asado (Grillfest), und danach hab ich mit einigen Iren und Australiern noch Pferderennen gespielt (ein Kartespiel mit gewissem Alkoholbezug...). Jedenfalls: Die Provinzen Salta und Jujuy (Aussprache wie ein Hustenanfall) bilden die Fortsetzung des bolivianischen altiplano und sind auch sonst recht andin gepraegt - so manches kam mir aus Ecuador bekannt vor. Ich bin dann nach einem Tag in Salta mit dem oeffentlichen Bus ins Bergdoerfchen Cachi gefahren. Dabei ist laut Reisefuehrer die Anfahrt das spannendste, O-Ton "eine der spektakulaersten Weltweit" - das wuerde ich mal anzweifeln wollen, aber interessant wars allemal. Leider sass ich auf der falschen Seite, aber sehen konnte man trotzdem was. Zunaechst ging es unten an einem Fluesschen ein Tal entlang, danach schraubte sich die Strasse mit Serpentinen dei Talwand entlang. Nichts fuer Leute mit Hoehenangst. Spaeter gings dann eine Hochebene entlang, die wie eine Mondlandschaft aussah, von den Kakteen mal abgesehen. Cachi selbst war nicht so interessant, ein kleines Bergdorf eben, weissgetuenchte Haeuser, enge Strasse, wenig los. Auf der Rueckfahrt hab ich dann auf der richtigen Seite gesessen. Dieses mal war ich auch vorbereitet, so dass ich die Kapitulation der Batterien in der Kamera nur mit einem mueden Laecheln und den Reservebatterien in der Tasche zur Kenntnis nahm..
Die beiden Tage drauf bin ich in der Quebrada de Humahuaca gewesen, einem Hochtal Richtung bolivianischer Grenze. Einen Tag bin ich mit dem Bus hochgefahren, immer mal ausgestiegen und den naechsten genommen. Besucht habe ich zum Beispiel das Doerfchen Tilcara, wo es eine Inka(?)-Ruine gibt. Man merkt richtig den Uebergang in die andinen Doerfer: Kein rechteckiges Strassenmuster mehr, kaum eine Strasse geteert, alles etwas aermlicher und viel mehr Indianer (die es weiter im Sueden ja nicht mehr gibt, alle ausgerottet). Zu Mittag hab ich Lama gegessen, fuer meinen Geschmack etwas zaeh, aber okay. Uebernachtet habe ich in Humahuaca auf 3000 Meter Hoehe, in einem einfachen Hostal. Den Abend mit einem Franzosen und einer Hollaenderin verbracht. Seit laengerem mal wieder selbst gekocht... Humahuaca hat ein total haessliches Unhabhaengigkeitsdenkmal... Die Dusche am naechsten Morgen fiel aus, denn das Wasser in der Leitung war gefroren, die Temperatur faellt nachts naemlich unter Null, waehrend es tagsuber sauwarm werden kann.
Tags drauf gings also wieder bergab, mit Zwischenstopp in Pumamarca, das unterhalb des "Cerro de siete colores" liegt, eines Huegels (in Schleswig-Holstein waers ein Berg) aus Gestein in vielen verschiedenen Farben. Beliebtes Postkartenmotiv. Auf der Fahrt bergab hatte ich mal wieder den Topsitz im Bus, oben vorne am Panoramafenster.
Am naechsten Tag habe ich dann eine organisierte Tour nach Cafayate mitgemacht, die durch die Quebrada de las Conchas, die Muschelschlucht ging. Sehr beeindruckend, wir haben verschiedene Felsformationen und Schluchten gesehen. Viele Fotos gemacht... Die Tour ging dann wohl wieder zurueck, ich bin aber in Cafayate geblieben und weiter nach Tucuman gefahren. Die Fahrt ging noch weiter durch andine Landschaften, wir hatten mal wieder einen dieser spektakulaeren Sonnenuntergaenge und danach einen klasse Sternenhimmel, sogar su dem Bus heraus. Der Teil, den wir nachts gefahren sind, soll wohl auch ziemlich spannend gewesen sein (ich konnte nur Serpentinen und tiefe Abgruende ausmachen, sowie einen Busfahrer mit Bleifuss). Schade, aber man kann halt nicht alles haben.
Insgesamt hatte ich mir von der Region etwas mehr versprochen, einiges sah den Anden bei Mendoza doch recht aehnlich. Es macht sich auch eine gewisse Argentinienmuedigkeit bemerkbar, mich zieht es jetzt doch langsam nach Deutschland zurueck (Flug ist in zwei Wochen). Liegt aber vielleicht auch daran, dass auf diesem Trip nicht alles so glatt laeuft, wie vorher. Meist Kleinigkeiten, aber es laeppert sich.
Meine weiteren Planungen sehen einen Besuch des Mondtals in der Provinz San Juan vor. Was danach kommt, ist nicht so ganz sicher, ich wuerde gerne die Peninsula Valdez besuchen, aber eigentlich haut das zeitlich nicht hin. Hab vorhin abgecheckt, ob ich einen Tag raushaun kann, wenn ich ein Stueck fliege (ich gelte hier ja als Einheimischer, also ist das nicht so teuer), aber es gibt keinen passenden Flug. Dafuer habe ich mal wieder die Inkompetenz der betroffenen Fluglinie spueren duerfen, die mir einfach ein Ticket fuer den falschen Tag verkaufen wollte. Ist nicht das erste Mal, dass das passiert. Muss nochmal den Reisefuehrer studieren, was ich nach dem Mondtal mache. Und Postkarten schreiben...

Saturday, August 30, 2008

Wieder unterwegs

Zeit fuer den ersten Lagebericht. Uebriges, falls viele Tippfehler im Text sind, daran ist diese Tastatur hier Schuld... Ich besser das dann aus, wenn ich wieder an einem vernuenftigen Rechner sitze, dieser hier ist irgendwie per Satellit angebunden und faellt gleich auseinander...



Ich bin also vergangenen Samstag leicht verkatert (Olympia-Fussball-Final: Argentinien-Nigeria) nach Buenos Aires gefahren und da dann in den Nachtbus nach Posadas gestiegen. Diesmal bin ich mal cama statt semicama (breitere Sessel, mehr Rueckstellwinkel) gefahren, fuer eigentlich keinen Aufpreis. Daafuer gabs sogar nen Steward mit Bordkueche und ich haette Champagner trinken koennen...

In Posadas, das am Grenzfluss zu Paraguay liegt, hab ich dann die Stadt angesehen und bin abends nach San Ignacio gefahren. Dort sind die schon erwaehnten Jesuitenmissionen. Der Besuch dort war sehr interessant, ein grosser Teil ist voellig vom Dschungel ueberwuchtert, fehlte nur noch ein Inka-Menschenopferaltar. Sehr cool. Der Erhaltungsgrad variierte je nach Ausgrabungsstaette, ich hab drei Stueck besucht. Ich war auch nur drei Busstunden von den Wasserfaellen weg, es hat mich ja sehr in den Fingern gejuckt, da nochmal vorbei zu schaun, habs aber dann doch nicht gemacht.
Von den Missionen aus bin ich in einer laaangen Busreise nach Salta gefahren. Die Stadt ist ganz huebsch, aber man kann nicht in Ruhe auf der Plaza sitzen, weil einen Horden von Bettlern, Schuhputzern und Kramsverkaeufern anfallen. Salta ist auch sehr touristisch, manche Strassen kann man nicht langgehen, ohne alle fuenf Meter einen Prospekt in die Hand gedrueckt zu kriegen und zugequatscht zu werden... Jedenfalls hab ich nen Tag in Salta die Stadt angeschaut, bin auf einem UAssichtshuegel in der Naehe gewesen und habe versucht Tickets fuer den Zugf zu bekommen. Das hat jedenfalls nicht geklappt. Dafuer bin ich dann in die Berge gefahren, dazu spaeter mehr...

Saturday, August 23, 2008

Erste Argentinienfotos eingetroffen

So, alle Prüfungen durch, Telefon abgemeldet, Handy auf Prepaid umgestellt, Rückflug gebucht, Wohnung gekündigt: Bis sozusagen fertig hier. Ich bleibe zwar noch nen knappen Monat in Argentinien und die letzte Woche davon auch wieder in Tandil, aber erstmal gehts auf Reisen. Geplante Reiseroute ist: Nach Posadas ("rechts oben), um die Jesuitenmissionen abzunehmen, dann quer durch den Chaco nach Salta (links oben), um hoffentlich mit dem Tren a las Nubes zu fahren. Danach wieder nach Süden, durch die Gegend Tucuman, La Rioja, San Juan. Wenn noch zeit überbleibt, in einem großen Satz nach Puerto Madryn um die Peninsula Valdez doch noch zu besuchen. Wir werden sehen, wie das alles klappt. Kein Plan überlebt die Begegnung mit der Realität...
Ansonsten habe ich den ersten Rutsch Argentinienfotos fertig. Zu finden hier. Ich bin zwar mit dem sortieren schon weiter, aber leider noch nicht mit dem Beschriften. Sorry.

Wednesday, August 06, 2008

Ganz kurz III

Kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommt: Das ist die obere linke Hälfte des argentinischen Teils der Iguazú-Wassserfälle (Klicken zum vergrößern):

In other News habe ich mir jetzt den Luxus eines zweiten Blogs gegönnt, zu finden unter abuzeus.de/weilsgeht. Damit kann ich diesen Blog als Reiseblog beibehalten und eher täglichen Krams und technisches Zeug dort lassen. Für alle, die das nicht interessiert: Alles was Argentinien, Ecuador und eventuelle weitere Reisen betrifft, wird auch in Zukunft hier und nur hier stattfinden.
Ich habe auch vor, nachdem ich hier meine Prüfungen hinter mich gebracht habe, noch einmal auf Reisen zu gehen. Das Ziel wird die Region um Salta herum sein.

Saturday, August 02, 2008

Argentinien

Nun bin ich schon ein ganzes Jahr hier, und habe immer noch nicht wirklich über Argentinien und die Argentinier geschrieben. Die üblichen demo- und geographischen Infos könnt ihr euch an geeigneter Stelle besorgen, das interessiert bestimmt keinen. Interessanter sind sicherlich die Verhältnisse hier.
Am spannendsten sind sicherlich die Argentinier selbst. Man macht schnell die Erfahrung, dass die Menschen unheimlich nett, höflich und zuvorkommen sind. Das liegt vielleicht nicht nur daran, dass man hier Höflichkeit größer schreibt, sondern auch an der sprichwörtlichen Miesepetrigkeit der Deutschen. Kommt man aus Deutschland raus, merkt man dass viele Menschen die kleinen Unfälle des Lebens gelassener aufnehmen. Topbeispiel, die Bahn. Jeder kennt das, es kommt zu Verspätungen und so weiter, alles nur noch am Meckern. Hier gibt es zwar kein derartiges Bahnsystem wie in Deutschland, aber die Überlandbusse übernehmen genau diese Aufgabe. Und die sind zwar oft pünktlich da, aber selbst bei Tandil-Buenos Aires (nominell etwa 5 Stunden) kann man plus/minus 30 Minuten rechnen, ich hab auch schon deutlich mehr erlebt. Man stelle sich das Gejaule vor, wenn die Bahn regelmäßig mit einer halben Stunden Verspätung von Hamburg aus in Frankfurt am Main ankäme. Oder als hier neulich gestreikt wurde und Busse regelmäßig stundenlang festsaßen, man nahm es überwiegend gelassen auf, beschwerte sich höchstens darüber, dass Krankenwagen auch aufgehalten wurden. Und das ging Wochen und Monate so!
Allerdings machen viele Touristen dann die Erfahrung, dass die Argentinier oberflächlich sind und oft auch etwas rücksichtslos. Wie oft habe ich mich darüber aufgeregt, dass man auf dem Gehsteig oft nicht zügig vorankommt, weil die Leute einfach immer im Weg stehen und einen nicht vorbeilassen (jaja, wo bleibt da die Gelassenheit). Genauso wird etwas zugesagt und dann nicht eingehalten, Pläne im letzten Moment über den Haufen geworfen und so weiter. Viele dieser Dinge sind mir inzwischen klar, um das zu verstehen muss man aber doch mal eben kurz in die Geschichte ausholen. Argentinien war Anfang des vorigen Jahrhunderts eines der reichsten Länder der Welt. Die ökonomischen Folgen zweier Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise haben das Land dann aber ins Schleudern gebracht, es folgten lange Jahre der Militärdiktatur, die im Falklandkrieg gipfelten. Selbst in demokratischer Zeit gab es immer wieder Probleme, unter Präsident Menem wurde das Land rücksichtslos ausgebeutet zugunsten einiger weniger, 2001 kam dann die große Krise. Inzwischen geht es zwar wieder aufwärts, aber Korruption ist allerorten und oft hoffnungslos offensichtlich. Man hat also gelernt, im Zweifelsfall wird einen der Staat nicht unterstützen, die einzigen auf die man sich verlassen kann sind Freunde und Familie. So etwas begünstigt nicht nur Vetternwirtschaft, sondern kommt meiner Meinung nach auch dadurch zum Ausdruck, dass man eben oft auch erst einmal an sich und die seinen denkt, statt an den Gegenüber. Natürlich wird man nicht sogleich übervorteilt (wer zu offensichtlich Tourist ist, vermutlich schon) aber es wird einem halt trotz großer Freundlichkeit mit etwas Reserviertheit begegnet. Wir Deutschen sind ja gewöhnt, alles was gesagt wird, gleich für bare Münze zu nehmen, eine ausgesprochene Einladung steht, Kritik wird schonungslos geäußert. Das macht man hier nicht so, ähnlich wie im angelsächsischen Raum muss eine Einladung schon sehr deutlich oder mehrfach ausgesprochen sein worden, damit man sie auch als echt ansehen darf. Sowas wird dann leicht als Oberflächlichkeit missverstanden, ist aber eigentlich nur Ausdruck einer anderen Umgangskultur miteinander.
Hat man dann aber Freundschaft geschlossen, gehen Argentinier dann auch für einen durch dick und dünn. Als es drauf ankam, waren meine Freunde hier zur Stelle. Natürlich sind auch weiterhin leichtfertig gemachte Zusagen mit Vorsicht zu genießen, aber man kann davon ausgehen, man nicht im Regen stehen gelassen wird und dass Argentinier dann auch nicht unwesentliche Schwierigkeiten auf sich nehmen, wenn ein Freund Hilfe braucht. Im Notfall auch gegen den Staat, der sowieso eher als Gegner empfunden wird, in den Händen als korrupt verschriener Politiker. Verkehrsregeln werden wie überall in Lateinamerika missachtet und auch andere Regeln wie Rauchverbote, Sicherheitshinweise, usw. werden nur dann befolgt, wenn sie auch jemand durchsetzt. Was durchaus auch geschieht, in Reisebussen kann man richtig Ärger mit den Fahrer oder Beifahrer bekommen, wenn man raucht (andere rauchen dafür selbst) und in den Innenstädten ist relativ viel Polizei präsent, die dann auch bei-Rot-über-die-Ampel-Fahrer mit ihren Trillerpfeifen anraunzt. Drei Blocks weiter ist dann aber schon wieder niemand zu sehen...

Argentinier sind unheimlich gesellig und können viel Zeit damit verbringen, einfach nur bei ein paar Mate (eine Art Tee, das Nationalgetränk) über Gott und die Welt zu reden. Nebenher läuft im Fernsehen irgendeine sinnlose Show (mein Antifavorit: Eine Abnehmshow in dem 200-Kilo-Leute von Waagesession zu Waagesession gequält werden), die Nachrichten oder eine Telenovela. Es ist auch durchaus üblich, unangemeldet irgendwo einzuscheien, ein paar Mate zu trinken und dann wieder zu gehen. Solche Mate- und Redesessions finden auch gerne mal bis in die Morgenstunden statt, mehrfach sind Freunde schon um 9 Uhr mit blutunterlaufenen Augen in der Uni aufgetaucht "ja wir haben noch bis halb sechs Mate bei X getrunken". Generell gilt, schlafen kann man, wenn man tot ist. Auch unter der Woche wird gern gefeiert, Grund par excellence ist das asado, die argentinische Variante des "Grillens". Oder man trifft sich bei Freunden zu Pizza, picadas (Käse-, Schinken-, Wurstwürfel, Oliven, .... Brot), Hamburgern usw. Oft geht es danach noch in die Disco (die hier so gut wie alle xyz-Bar heißen). Überhaupt ist Discogehen eine der Standardbeschäftigungen, auf ein paar Bierchen in einen Kneipe zu gehen, ist nicht so Ding der Argentinier. Tagsüber auf ein paar Kaffee ins Café aber schon. Zu Abend wird eher spät gegessen, viele Restaurants machen erst um neun, halb zehn auf. In die Disco geht man dementsprechend nicht vor drei Uhr nachts, vorher ist dort absolut tote Hose. Dafür bleibt man dann bis 6,7 in der frühe. Unglaublicherweise sind viele Argentinier dann aber schon wenige Stunden später wieder auf den Beinen, mit den bekannten Augenringen.
Getrunken wird auf Piste Fernet (oft mit Cola und/oder Wein gemischt), Wein, Wodka-O (destornillador), unglaublich billiges und schlechtes Bier (das gute Quilmes ist vielen wohl zu teuer), Sekt, usw. Was einen durchschnittlichen Mitteleuropäer schier in den Wahnsinn treiben kann ist der Musikgeschmack. Natürlich läuft, vor allem tagsüber im Radio aller möglicher Latinopop (ein paar Namen: Miranda!, Julieta Venegas (Mexico), Leo Garcia, los fabulosos cadillacs, natürlich Shakira und Konsorten) und relative bekanntes Zeugs (Beatles, US-Pop, die Scorpions (!)), aber zu Partys und in der Disco führt kein Weg um Cumbia herum, ein ursprünglich aus Kolumbien stammender Musikstil. Der ist zwar für Discos wirklich nicht übel und auch zum tanzen ganz okay, aber der Fanatismus, mit dem zuweilen schon nach einem halben Lied anderer Musik die ersten Lynchmobs auftreten ist schon krass. Tekkno ist nicht so, mitunter aber Reaggeaton (auch in Europa bekannt: Daddy Yankee mit Gasolina...). Bekannte deutsche Bands sind die Scorpions und Rammstein (und Tokio Hotel...).
Mitunter lustiges Detail: Es gibt hier eine echte Knappheit an Münzgeld. Oft findet sich in Ladenkassen keine einzige Münze, und entweder man hats passend, man kriegt noch was mit für das Wechselgeld (in Obst- und Gemüseläden oft) oder man kriegt die letzten 10 Cent geschenkt. Das passiert mir sogar regelmäßig im Supermarkt (Carrefour, eine französische Kette). Wer im Laden bekannt ist kann auch schon mal damit rechnen, etwas schuldig bleiben zu dürfen und dann beim nächsten Einkauf zu bezahlen, wobei ich inzwischen vermute, dass das einfach eine verkappte Variante von "passt scho" ist. Jedenfalls bin ich wohl die einzige Person weit und breit, die dann zwei Tage später auch wirklich anrückt "...und dann sind da ja noch die 35 centavos vom letzten Mal. - Ach, wirklich?". Sehr lustig. Kartenzahlung kommt nicht so oft vor, ich mache das hier gar nicht, weil man in der Regel dem Kassierer seine Geheimzahl sagt(!), außerdem wird die Ausweisnummer abgefragt.
Hmm, ich glaube der Eintrag ist schon lang genug. Fortsetzung folgt...