Saturday, October 06, 2007

Passierschein A38

Ich habe mein Visum! Sogar schon seit zwei Wochen, aber es soll ja bekanntlich schreibfaule Leute geben. Der finanzielle und zweitliche Aufwand, an das Visum heranzukommen, war aber nicht gerade ohne, und ich kann die Leute verstehen, die alle zweieinhalb Monate ausreisen und gleich wieder einreisen (ein Touristenvisum, dass so ziemlich jeder ohne Vorraussetzungen bei der Einreise bekommt, gilt drei Monate. Zumindest wenn man nur ein halbes Jahr bleibt, ist das sicherlich der schmerzloseste Weg. Da ich ja aber nun ein ganzes Jahr bleibe, evtl. sogar noch ein, zwei Monate länger, habe ich die Mühen nun auf mich genommen, zumal ich ja in Deutschland schon Vorleistungen erbracht hatte, von denen ich jetzt auch was haben wollte.
Argentinien kennt drei Visastufen: Tourist, Temorär und Permanent. Das erste kriegt jeder, der nicht zufällig Bürger von Moldawien ist (warum die gerade nicht, weiss ich nicht). Das zweite kriegt man, wenn man sich begründet länger im Land aufhalten will, zum Beispiel ein Studentenaustausch der länger als neun (oder zwölf? egal) Monate geht. Das dritte kriegt, wer "für immer" bleibt, wer sich zum Beispiel mit einer Argentinierin verheiratet, so der Migrationsbeamte mit einem Augenzwinkern. Ich hab jetzt also das zweite, es gilt zwei Jahre, also bis Anfang Oktober 2009, ich kann ins Land ein- und ausreisen, wie ich lustig bin, ich habe Aufenthalts, Studien- und Arbeitsrecht. Und wenn ich mag, kann ich einen argentinischen Personalausweis für Ausländer beantragen, die Ausstellung dauert allerdings 18 Monate. Wird also eher nix.
Wie baut man sich so ein Visum? Zu erst einmal muss man aus Deutschland folgende Dokumente mitbringen bzw. hier beschaffen:

(1) Nach Ausreise noch mindestens sechs Monate gültigen Reisepass. Das versteht sich natürlich von selbst.

(2) Polizeiliches Führungszeugnis aus Deutschland bzw. dem Land, in dem man die letzten X Jahre am meisten gewohnt hat. Kostet in Deutschland 13 Euro, soweit ich mich erinnere, und man bekommt es beim Einwohnermeldeamt, bzw. beantragt es dort und kriegt es dann zugeschickt. Wichtig ist, dass man gleich bei der Beantragung darauf hinweist, dass das Führungszeugnis zur Verwendung im Ausland ausgestellt und apostilliert wird, sonst ist es nicht gültig. Eine Apostille ist ein großer Stempel von wichtigen Leuten (genauer: Der der ausstellenden Behörder übergeordneten Instanz), die das Dokument gegenüber dem anderen Staat legitimiert. Da steht dann "Convention de la Haye du 5 octobre 1961" drauf und ein paar Daten drunter. Klingt kompliziert, ist es auch, aber Staaten, die nicht Mitglied dieser Konvention sind, fordern, dass man seine Dokumente bei der jeweiligen Botschaft "legalisieren" lässt. Das ist natürlich noch aufwendiger.
In meinen Fall hatte übrigens das Einwohnermeldeamt Darmstadt gepennt, und ich musste das Führungszeugnis nochmal nach Bonn schicken, damit es apostilliert wird, die schicken es dann noch nach Köln, es kommt noch ein Stempel drauf, und schließlich kam das ganze postalisch am selben Tag an, an dem ich abgeflogen bin. Ganz schön knapp.
Übrigens reicht das so nicht aus, man muss das Führungszeugnis natürlich auch übersetzen lassen, und die Übersetzung muss auch apostilliert werden, sonst wird sie in Argentinien nicht akzeptiert. In Darmstadt gibt es zum Glück akkreditierte Übersetzer, und das Apostillieren kann man im Landgericht machen. Natürlich kostet das alles Geld, inklusive neuerlichem nach Köln schicken, Übersetzung usw. hat mich der Wisch etwa 80 Euro gekostet. Natürlich sind keine Eintragungen drin, aber was solls.

(3) Geburtsurkunde. Kann man im Gegensatz zum Führungszeugnis nur am Erstwohnsitz (bei mir: Itzehoe) beantragen, dafür kann das aber ein Stellvertreter abholen, zumindest ging das bei mir (ich habs telefonisch angefordert und dann Muttern vorbeigeschickt). In Itzehoe gibt es eine internationale Version, die auf der Vorderseite die wichtigeren Sprachen (Englisch, Französisch, ...) hat und auf der Rückseite mittels Zifferncodes dann zwei Dutzend weitere Sprachen, so ähnlich wie im EU-Reisepass. Das hat mir die Übersetzung erspart, hier in Tandil aber wieder Ärger beschert, weil die sich erst nicht sicher waren, ob sie das so akzeptieren, Spanisch gehört nämlich nicht zu den wichtigen Sprachen. Besser ist also eine Übersetzung, natürlich wieder mit Apostille. Man kann seine Übersetzungen natürlich auch in Tandil machen, aber was man hat, das hat man. Außerdem weiss ich nicht, ob es hier Übersetzer aus dem Deutschen gibt.
Natürlich musste auch die Geburtsurkunde apostilliert werden. Dafür musste ich nach Kiel ins Innenministerium fahren. Kosten mit Apostille etwa 25 bis 30 Euro, da keine Übersetzung notwendig. Sowohl Führungszeugnis als auch Geburtsurkunde dürfen übrigens bei Einreise ins Land nicht älter als einen Monat sein. Allerdings hat man mir gesagt, es zähle dabei das Datum der Apostille. Aber auf so etwas würde ich mich natürlich nicht verlassen, mein Führungszeugnis war übrigens exakt einen Monat alt...

(4) Argentinisches Führungszeugnis. Ist natürlich total blödsinnig, weil man ja gerade erst angekommen ist, aber was solls. Das bekommt man natürlich nicht einfach so. Es gibt hier in Tandil Leute, für einen in den entsprechenden Ort fahren, dort Schlange stehen usw. Kosten vernachlässigbar. Ablaufen tut das dann so: Man geht zu diesem comisionista, so heissen diese Leute, bittet um das Führungszeugnis. Dort bekommt man von der - wirklich freundlichen - Dame am "Tresen" (in einer Garage...) einen Haufen Formulare, die man ausfüllen lassen muss usw. Erstmal natürlich ein Personalfragebogen, dann muss man Geld überweisen - halt. Überweisen gibt es hier natürlich nicht, man bekommt einen Wisch (genau genommen drei), die füllt man aus, geht zu einer bestimmten Bank und zahlt das Geld dort in bar ein. Die Bank stempelt den Zahlschein ab, und mit einem Teil des Zahlscheins (so ein Ding hat vier Teile, für jede Partei einen) geht man dann zu dem zurück, der das Geld haben wollte. Das ist übrigens die übliche Methode im Umgang mit Behörden, so dass man nie etwas in einem Gang erledigen kann, sondern immer Behörde-Bank-Behörde dabei hat. Jeder Gang macht schlank...
Als nächstes muss man zur Polizei, sich Fingerabdrücke abnehmen lassen. Der entsprechende Beamte ist natürlich nicht da, sondern man darf an einem anderen Tag wiederkommen. Das Fingerabdrücke abnehmen geht dann aber recht schnell, ist eine ziemlich dreckige Angelegenheit und kostet ausnahmsweise mal nichts. Außerdem holt man sich dann noch einen Stempel bei der Polizei ab.
Mit diesem ganzen Zeug geht man dann zurück zum comisionista, der einem dann binnen einiger Tage das Führungszeugnis - natürlich leer - besorgt. Das ganze ist übrigens ein völlig legaler Vorgang, spart einem aber die Reise(kosten). Kosten: genau 45 Pesos, was nach atuellem Kurs etwa 10 Euro sind.

(5) Bescheinigung über den Wohnort - da hatte ich mal Glück, denn die entsprechende Behörder war gerade mal zwei Blocks weg. Kostet fünf Pesos (also Gang zur Bank mit dabei) und bescheinigt, dass man behauptet, man wohne da, wo man angegeben hat. Nachgeprüft wurde das nicht, ist aber wohl sowas wie eine eidesstattliche Versicherung. Natürlich sind die in der Behörde nicht darauf vorbereitet, dass jemand keinen DNI (Personalausweis) hat, sondern mit einem Pass anmarschiert. Hat aber dann doch geklappt, war aber mal wieder eine Nervenprobe. Übrigens muss man wie bei fast jedem Dokument hier angeben, für wen genau es denn bestimmt ist, was man als Ausländer natürlich nie so genau weiss. Großzügigerweise stand dann ausnahmsweise mal "für jeden, dens interessiert" drauf, extra für den armen Deutschen.

(6) Schreiben vom Fachbereich, dass man wirklich dort studiert. Auf Anfrage dort erhältlich, hat aber dazu geführt, dass ich dort erstmal einen Antrag als Gasthörer stellen durfte. Warum auch immer, hat mein Tutor für mich geschrieben und ich hab ihm nen Kaffee ausgegeben.

(7) Antragsformular fürs Visum: Gibts auch von der netten Dame in der Uni, allerdings sind die wirklich selten unorganisiert: Um meine Passnummer zu erfahren, ruft die Tanta im Fachbereich an, die rufen meinen Tutor an und der ruft mich an: Freitagsmorgens um halb neun. Ich war gerade mal zwei Stunden im Bett. Natürlich hatten, bis auf meinen Tutor, alle Beteiligten eine Kopie meines Passes, wo, wie allgemein bekannt sein dürfte, unter anderen auch die Nummer draufsteht. Es spricht für die Bürokratie hier, dass ich völlig schlaftrunken und reichlich angeheitert immer noch meine Passnummer aufsagen kann - vor Argentinien hätte ich nicht eine Zahl gewusst.

(8) Busticket nach Mar del Plata (das Mallorca von Argentinien, drei Busstunden weg und dort sitzen auch die migraciones, wo ich hinmusste) und natürlich einen Termin beim zuständigen Beamten. Den Termin beantragt die entsprechende Dame in der Uni für einen, das Ticket muss man selber kaufen und einmal hin und zurück kostet 46 Pesos (10 Euro). Studenten kriegen Rabatt, aber natürlich nur, wenn sie, wie ich nicht, irgendwas dabei haben, was sie auch als Student ausweist. Darmstädter Studentenausweis gilt übrigens nicht.

(9) Bescheinigung von Interpol(!), dass man eine weiße Weste hat. Auszufüllen während der Prozedur in Mar del Plata, danach marschiert man in Tandil zu einer anderen Polizei, gibt wieder Fingerabdrücke usw. ab und die schicken dass dann direkt nach Mar del Plata, nachdem sie den Interpolcomputer befragt haben. Das lief tatsächlich einmal auf Vertrauensbasis, ich musste das NICHT im Vorraus machen. Allerdings weiss ich auch nicht, was die so gemeldet haben. Falls man nix mehr von mir hört, hat mich vermutlich das SEK geholt, weil Interpol nen Computervirus hatte...

(10) Zweihundert Pesos in bar. Als kleines Intermezzo während der Beantragungsgebühr zu entrichten, und stellt den eigentlichen Visumspreis dar. Natürlich ist die entsprechende Bank 9 Blocks weg, aber wenn man wie ich Glück hat, und es ist ausnahmsweise mal keine Schlange, ist man schon in 30 Minuten wieder da!

(11) Nerven wie Drahtseile: All diese Dinge stehen niemals im Vorraus fest, sondern werden einem nach Hase-und-Igel- Manier immer schön eins nach dem anderen aufgetischt. Immer wenn man glaubt, man hätte nun alles beisammmen, gibts was neues. Wenn vorher etwas abzuprüfen war, wird das nie vorher gemacht, sondern nachdem man das nächst Puzzlestück abgeliefert hat, man muss also nächste Woche nochmal wieder kommen. Die verantwortliche Dame in der Uni arbeitet auch nur vormittags und zwar Montags bis Donnerstags, was die Sache natürlich auch nicht einfacher macht. Als ich einmal die Nerven verloren habe und angedeutet, dass mir das alles zu trödelig ging und sie doch aber schonmal VORHER hätte checken können, ob dies und jenes nun in Ordnung sei, wurde sie gleich grantig und ich musste gewaltig zurückrudern. Nix für schwache Nerven...

(12) Einen Tag Zeit (neben den ganzen anderen Behördengängen) für die Prozedur in Mar del Plata. Ich wurde an der Tür der Behörde übrigens abgewiesen, man hätte Freitags geschlossen (die Schweine, ich bin sogar um halb sechs aufgestanden, um einen passenden Bus zu kriegen), nachdem ich mich aber nicht hab abwimmeln lassen, stellte sich raus, dass sie nur für Publikumsverkehr dicht hatten (für Publikum ist der Laden ungelogen sechs Stunden die Woche geöffnet!). Ich hatte einen Termin beim entsprechenden Beamten und durfte dann rein. Der war ziemlich nett, und ich hatte auch zu keiner Zeit Befürchtungen, er würde mir jetzt auf letzer Meile noch einen Strich durch die Rechnung machen. Dauert aber alles seine Weile, inklusive Gang zur Bank für die 200 Pesos und Auskunft einer anderen Beamtin, als nächstes müsse ich zur Polizei wegen der Interpolgeschichte, die sei in Mar del Plata am Busbahnhof (das sind mehr als 30 Blöcke, ich war das ja gerade hergelaufen) und überhaupt mache man in 30 Minuten fürs Wochenende dicht und ich solle doch Montag wiederkommen. DAS war dann aber zum Glück doch ein Irrtum und ich konnte das Interpoldingens in Tandil machen, nachträglich. So hab ich dann eine halbe Stunde nach Feierabend doch noch mein Visum gekriegt, dass bis auf den Schönheitsfehler, dass ich im Text einmal als weiblich bezeichnet werde, in Ordnung ist.


Hat sichs nun gelohnt? Ich sage mal ja. Nach den Kosten, die in Deutschland angefallen waren, sind die Kosten in Argentinien nicht mehr so hoch (das deutsche Führungszeugnis war teurer als alles andere in Argentinien zusammen), was nervt ist die Rumlauferei. Dafür muss ich mir jetzt keine Sorgen um ablaufende Touristenvisa machen, brauche nicht zu befürchten, dass mir die Uni am Ende wegen fehlendem Studentenvisum einen Leistungsbescheinigung verweigert (glaube ich zwar eh nicht, dass die das machen, aber irgendwer hatte mal sowas erwähnt) und könnte theoretisch 2009 nochmal hierher kommen, ohne mir über irgendwas Gedanken machen zu müssen. Wer aber nur ein Semester bleibt, der müsste theoretisch nur einmal ausreisen, und Montevideo ist nicht weit. Insofern kann ich auch die Leute verstehen, die sagen: Mir ist das viele Geld und die Eierei zu viel, für das Geld kann ich auch einmal nach Montevideo fahren.

Der Text ist übrigens deswegen so lang geworden, damit, falls jemand, der auf dieses Blog gestoßen ist, auch nach Tandil will, weiss was auf ihn zukommt. Die Ungewissheit, was denn nun genau wie läuft war für mich das schlimmste, zumal es hier extrem wenig Vorabinfos gab.Die Uni ließ sich jede Info aus der Nase ziehen, aus meinem FB war noch nie jemand hier und aus Darmstadt kannte ich auch nur einen, der aber schon längst wieder in Deutschland war. Falls also jemand Interesse hat: Tandil ist das Jahr wert, Abenteuer gibts hier auch genug. Bei den meisten Behördenpersonen wird man übrigens relativ freundlich und hilfsbereit behandelt, wenn man klarmacht, dass man Ausländer ist, sich ernsthaft bemüht, alles richtig zu machen, aber ab und an halt doch nicht alles weiß und deswegen umständlicher daher kommt. Außer ein paar Touristen gibt es hier in Tandil nämlich kaum Ausländer, insofern sind die Leute den Umgang mit Ausländern nicht so gewöhnt, wie z.B. in Darmstadt, wo jeder 8te Student Ausländer ist (hab ich mal wo gelesen) und die meisten Leute im Notfall Englisch radebrechen können. Ganz so übel wie geschildert ist es also nicht.

Nachtrag: Den Text habe ich letzte Woche vorgeschrieben, hatte aber noch keine Möglichkeit, ihn online zu stellen. Da ich inzwischen weiss, wie teuer ein Ausflug nach zum Beispiel Montevideo ist: Visum lohnt sich zumindest finanziell. (Zu Montevideo ein andermal mehr).