Saturday, July 16, 2005

Woche 9

Moin nach Deutschland,
mein Volontariat ist ganz offensichtlich deutlich angenehmer als das von Andrea. Warmwasser hats zwar nicht, aber wir wollen mal nicht kelinlich werden, immerhin liegt der Laden im Valle de los Chllos, einem laendlichen Tal ne halbe Busstunde von Quito. Die Kinder, 13 Jungs von 8 bis 16 und etwa 9 Maedels von 4 bis 15 sowie das 15monatige Baby einer der dortigen "Tias" sind eigentlich alle ganz nett. Ich geb dort vormittags Englischunterricht, danach helfe ich ein wenig bei der Gemeinschaftsarbeit mit (letzte Woche haben wir Mais entkoernt), nachmittags hab ich dann Spanischunterricht. Montag einen tierischen Sonnenbrand auf den Beinen geholt, kaum laufen gekonnt. Ist inzwischen aber wieder weg. Freitag war ich dann mit der Schule auf Exkursion in einem Nationalpark zu einem Riesenwasserfall. War schon spektakulaer, vor allem wie wir den Fluss danach ueberquert haben - balancierend auf einem Baumstamm. Ist aber keiner nass geworden. Danach bin ich fuer einen Tag nach Quito zurueck, mal Nachrichten nach Hausen absondern, dazu war naemlich am vergangen Wochenende keine Zeit mehr. Ausserdem wollte ich Postkarten loswerden, war aber 15 Minuaten zu spaet am Postamt. Wer also eine Postkarte erwartet: Das wird wohl nix mehr, bevor ich wieder da bin. Werd die wohl erst Donnerstag loswerden. Bleibe naemlich bis Donenrstag noch im Volontariat, ist eh schon ne kurze Zeit. War aber schoen, mal die heisse Dusche hier in Quito zu geniessen.
Ansonsten hier der versprochene Bericht zum Autoverkehr hier:
Wie schon erwaehnt sind die Ecuadorianer nicht solche Regelknechte wie die Deutschen, und viele Dinge wie Termine oder Regeln werden vorerst erstmal als Vorschlaege verstanden, so auch die Verkehrsregeln. Der unsichtbare gruene Pfeil bei Rechtsabbiegern, der einen beim Strassenueberqueren ab und an fast umbringt, gehoert noch zu den harmloseren Vertretern der sich daraus ergebenden Effekte. Gefahren wird so schnell es geht, ueberland auch schneller. Ueberholt wird, rechts, links, links von einem bereits ueberhohlenden Auto und mit gro'er Beliebtheit auch in Kurven und ueberhaupt an Stellen, wo man nichts sehen kann. Blinker, Anschnallgurte und Tempolimit sind eindeutig Gringosachen und hier hoechst unbeliebt. Fuehrerschein sagte man mir, kann man hier kaufen und die Pruefungen sind woh eh nen Witz. Blaue aufgemalte Herzen auf den Strassen zeigen eine Unfallstelle an. Lustig wirds, wenn man dann mal so eben an 20 davon vorbeifaehrt, und jedes mit 3 oder vier Streifen fuer ebensoviele Tote...
Benzin ist spottbillig - 2 Dollar fuer eine Gallone Super, einer fuer ebensoviel Diesel - und eingentlich immer verbleit. Katalysator gibts hier nicht. Autos schwanken zwischen ok und "faehrt. Ab und zu". VW Kaefer hats hier Unmengen, weiterhin Camionettas, das sind Chevy oder Toyota Pickups. Taxis fahren wie die Henker, von den Marken her ist alles dabei, sogar Ladas hab ich schon gesehen.
Bevorzugtes Verkehrsmittel hier ist der Bus: Zuege gibts keine, eigenes Auto hat bei weitem nicht jeder. In der Stadt kostet jede Distanz 25 Cent in einem Especialbus, das sind die besseren. Popular soll 18 Cents kosten, aber da habe ich mich noch nicht reingetraut, weil die wirklich so aussehen, als ob schon Napoleon damit gefahren waere. Ganz ohne Bloedsinn fahren einige wahrscheinlich, vor allem in den Bergen, schon seit dem zweiten Weltkrieg. Bis vor kurzem gabs hohe Steuern auf Buskarosserien, und die einheimischen Busse sind katastrophal. Inzwischen gibts aber ne Menge in Brasilien fabrizierte VWs oder Mercedes-Benz Busse, die oft sogar ganz ok sind. Zumindest in Quito. Ueberland sinds entweder Hoellenkutschen oder hochmoderne Luxusbusse. Busfahren ueberland kostet etwa einen Dollar pro Stunde... Dabei kann der Bus jederzeit, ob auf dem Land oder in der Stadt per Handzeichen angehalten werden, um ein- oder auszusteigen. Jeder Bus hat eine Besatzung von zwei Personen: Fahrer und Socio. Letzterer kassiert den Fahrpreis, verteilt Kotztueten - ernsthaft - und in den besseren Bussen stellt er dann ab und an den Film an. Wie die Busse fahren hab ich ja schon geschrieben, es ist manchmal wirklich so, dass man besser nicht hinschaut. Wenns rechts 400 Meter runtergeht und sich zwei Busse Elefantenrennen liefern, obwohl beide sehen, dass ein LKW entgegenkommt, dann wird einem oft ganz anders. Es gibt aber auch Busfahrer, die verantwortungsvoll fahren, die sind aber eher selten.
Die Strassen schwanken zwischen fast europaeisch - da wo grad gebaut wird - und unglaublich. Ich wusste gar nicht, dass es moeglich ist, SO viele Schlagloecher auf so kleiner Flaeche unterzubringen, aber es geht. Evtl. sollte sich Ecuador mal des Gaussschen Kugelpackungsproblems annehmen...
Kleine Anekdote noch:
Geparkt wird immer da, wo gerade wenig Platz ist. Wenn also die Strasse bebeuat wird, dann faehrt ein echter Ecuadorianer noch 15 Meter weiter als da, wo ein Parkplatz ist und stellt sich IN die Engstelle, so dass gar nichts mehr geht. Und dann verschwindet er. Dass der Bus dann nicht mehr durchkommt, dass eigentlich niemand mehr durchkommt, scheint beabsichtigter Effekt zu sein.
Manchmal ist diese Land echt verrueckt.

Woche 8

Die Fieste am vergangenen Sonntag entpuppte sich dann als gemuetliches Grillfest mit einigen Volontaeren und einigen Schuelern sowie einigen Nachbarn. Hat Spass gemacht, gegrillt, Fussball gespielt, Leute wieder getroffen.
Sonntag abend gings dann mit dem Bus Richtung Pazifik, Bus war ganz ok. Angekommen um sechs Uhr morgens voellig uebermuedet in Atacames, Hotel bezogen. Besitzer ist ein Schweizer mit einem uralten Chevy Trooper, der jeden morgen das ganze Hotel geweckt hat. Das war uebrigens von den Zimmern her eher mau, lag auch ziemlich ausserhalb der Stadt, Essen war immerhin ok. Warme Dusche gabs eher nicht...
Ne Stunde Pause gehabt, dann gings los mit Spanisch, hinterher sind wir am Strand bis Atacames und zurueck gelaufen. Der ganze Strand ist uebrigens von kleinen Krebsen besiedelt, die vor einem dann immer panisch fluechten und ein Erdloch zum verkriechen suchen. War schon nett der Strand, Palmen, Sand, klasse Sonnenuntergang. Waren vorher noch in der Stadt von Atacames, hat aber nicht viel zu bieten. Tourinest halt. Dienstag sind wir mit dem Bus zu einem anderen Dorf gefahren, dort ebenfalls Strandbesichtigung. War deutlich entspannter. Mittwoch in der Stadt gewesen, Kirche potthaesslich, auf dem Rueckweg gebadet. Der Pazifik heisst nicht umsonst Pazifik, es fehlt naemlich an Wellen. Und da es Gegenstroemung hat, ist mit Schwimmen auch nicht viel, lustig war allerdings, dass meine professora nicht schwimmen konnte. Fuer mich irgendwie voellig undenkbar...
Donnerstag in nem Meeresmuesum gewesen, ordentlich Meerviecher. Das Nachtleben von Atacames ist uebrigens nicht unbedingt so spektakulaer, wie behauptet wird, das mag aber auch daran liegen, dass die Saison grad erst am beginnen war. Naja, und ausserdem ziemlich voller Bordsteinschwalben, aber entte Cocktails und Fruchtsaefte, und die Preise sind einfach unglaublich. Ok, im Nachbarort mangels Touriinvasion noch besser, aber Piña Colada fuer einen Dollar...
Gesamteindruck von Atacames: Koennte das Mallorca von Ecuador sein, man sagte mir, dass man im Sommer dort neben den "monos" - Kuestenbewohnern - halb Quito und nen Haufen Dschungeltypen sehen kann.
Freitag mit dem Bus zurueck, weitestgehend tagsueber - nette Landschaft, den Film hatten wir aber schon auf dem Hinweg gesehen (auf laengeren Ueberlandfahrten gibts in den bessern Bussen ne "pelicula"...). Abends dann leichter Schock: Haus voellig voll, Invasion der Australier. Entsprechend sind meine Sachen waehrend meiner Abwesenheit mal wieder umgezogen und ich hab dann in nem Randkabuff geschlafen. Samstag Besuch von Kollegin Andrea gehabt, die grad die erste Woche von ihrem Volontariat hinter sich hat - ist wohl der reine Horror. Aufstehen um 3:30, Fruehstueck in kurzen Hosen draussen, alle am Husten, die Kinder leben da wohl echt unter aller Kanone. Naja, waren abends noch weg. Sonntag morgen viel zu frueh dann geweckt worden: In einer Stunde gehts fuer dich ins Volontariat - wollte ich auch machen, wenn auch woanders. War aber bis dahin nicht bestaetigt worden. Naja, ordentlich mit aufstehen, duschen und Sachen packen - dann war natuerlich der Transfer zu spaet dran... Life is Life...
Dann unterwegs noch nen paar Leute getroffen, am Volontariat angekommen. Erster Eindruck: Scheint ok. Zimmer sparsam, aber in Ordnung, keien warme Dusche, Kinder weitestgehend nett. Ne Runde Fussball gespielt, spektakulaer verloren, abends hundemuede ins Bett.

Saturday, July 02, 2005

Woche 7

Diese Woche hab ich irgendwie nen Durchhaenger gehabt, keien Lust auf Nix, Heimweh usw... Hat sich aber wieder gelegt. Sonntag bin ich in der "Galeria Latina" gewesen, neuproduzierter Indigenakram. Interessant, aber die - kaufbaren - Stuecke sind sauteuer. Hab mich also aufs Ansehen beschraenkt. Lustig war, dass die Haeuser zum Teil um die durchwachsenden Baeume herumgebaut sind und dass irgendwo ein Buecherschrank mit deutscher Literatur - der Besitzer war glaub ich Schweizer - rumsteht - Karmasutra, entsprechende Handbuecher...
die Woche ueber mal nachmittags kein Programm gehabt, stattdessen durch die Stadt getobt. Ausserdem mit der leidigen Pflicht der Ansichtskarten angefangen...
Im Haus hats fuer den traenenreich abgereisten Alex inzwischen wieder nen anderen Australianer, ebenso ruhig. Ich fange an, mir da ein Klischee zu bilden.
Freitag nachmittag beim Autor meines Reisefuehrers (war nicht da, haben mit seiner Frau gesprochen) gewesen, ein paar Entdeckungen in Cuenca weitergeben. Freitag abend haben wir dann nochmal ordentlich die Stadt unsicher gemacht, heute durften meine Naehkuenste angesichts eines abgefallen Knopfes und einiger anderer in Bedraengnis dann mal ein Revival feiern. Morgen gehts zu irgendeiner Fiesta in der Umgebung von Quito und abends fahre ich dann Richtung Pazifikkueste. Man goennt sich ja sonst nix.
In Ermangelung neuer Ereignisse lasse ich jetzt einfach mal ein paar Allgemeinplaetze ueber Ecuador los:

Als erstes: Das Vorurteil, die Lateinamerikaner seinen unzuverlaessig, ist schon irgendwie begruendet. Gerade mit der Puenktlichkeit haperts gern mal, und man sollte sich nie auf Zeitangeben verlassen. Spart Nerven.
In Quito entwickelt sich langsam eine echte Hundeplage, Strassenkeoter gibts, die gibts gar nicht. Von der getunten Frikadelle mit Herzschrittmacher bis zum Baerenaehnlichen Sonstwas ist alles dabei. Gluecklicherweise sind die Fifis im wesentlichen mit Doesen und sich gegenseitig Aergern beschaeftigt, aber ein paarmal verjagt hats mich schon...
Das Essen besteht, wie schon erwaehnt, aus zwei warmen Mahlzeiten mittags und abends und einem etwas traurigen Fruehstueck. Die "Broetchen" kann ich jedenfalls kaum noch sehen. Das zufaellig rumliegende Toastbrot am Sonntag hab ich echt gefeiert. Die warmen Mahlzeiten sind meistens irgendwas um Reis herum, Gemuese ist meist kalt. Fleisch ist meistens dabei, einmal am Tag gibts eine Suppe vorweg. Naja, und die Saefte: Die riesige Auswahl an tropischen Fruechten schlaegt sich auch in der Saftauswahl nieder, zu Fruehstueck und Mittag gibts meistens frischgepressten Saft, zu meiner Freude hauefig Ananas. Ist aber recht viel Zucker drin.
Religion: Hier ist man weitestgehen katholisch, ein Grossteil auch praktizierend. Die hierzulande anzufindende abscheuliche Mischung aus Kitsch und Pomp soll aber laut den vehementen Argumentationen meiner bayrischen Kollegin nicht repraesentativ fuer den Katholizismus sein. Schade, wieder ein Vorurteil weniger. Dazu kommt dann eine schreckliche Jungfrauenanbetung mit in meinen Augen haesslichen Statuen und absolut herzlosen, nicht selten auch voellig verwahrlosten Friedhoefen. Man besucht seine Toten - wenn ueberhaupt - einmal im Jahr.
Fernsehen: Ham sie hier viel mehr, die meisten US-Netze haben spanische Ableger, und die Fillmerkiste laeuft immer. Dafuer hats auch ganz gute Spielfilme ueber mittag usw, aber fuer einen solchen Glotzenabstinenten wie mich bringt das auch nicht viel.
Zeitung: Variiert von recht solide (El Commercio) bis zu absolut blut-sensationslustig (El Extra), dagegen ist die Bildzeitung Intellektuell.
Mehr ein andermal, insbesondere der Strassenverkehr bedarf noch einer etwas ausfuehrlicheren Widumung, aber das Internetcafe will dicht machen...
Gruss nach D, Abu